Tarifliche Sondertickets nur erfolgreich bei deutlicher Verbesserung des ÖPNV-Angebots (27.11.2018)

Kiel. Der öffentliche Personennahverkehr in Schleswig-Holstein leidet seit vielen Jahren an einem strukturellen Problem, weil er, insbesondere bei den Linienbussen, nicht ausfinanziert ist. In vielen ländlichen Regionen, aber auch etwa im direkten Einzugsgebiet der Landeshauptstadt Kiel, sind aus diesem Grund in den Schulferien, in den Abendstunden sowie an den Wochenenden kaum noch Busse unterwegs, weshalb die Bereitschaft der Bevölkerung, auf das eigene Auto zu verzichten und in den ÖPNV umzusteigen, sehr überschaubar ist.

 

Das Land zahlt an die Kreise nach einem vorgegebenen Verteilungsschlüssel pauschal sog. Kommunalisierungsmittel, die sich aus Bundes- und Landesmitteln speisen. Allerdings reichen die Finanzmittel schon seit Jahren bei weitem nicht aus um die wesentlichen Aufgaben im ÖPNV zu finanzieren, für die die Kreise zuständig sind. Darunter fallen insbesondere der barrierefreie Ausbau von Haltestellen und Fahrzeugen, die infolge des klimapolitischen Wunsches notwendige Anschaffung von modernen Fahrzeugen mit alternativen Antrieben inklusive ihrer Infrastruktur oder Maßnahmen zur weiteren Digitalisierung des ÖPNV.

 

„Diese zusätzlichen Aufgaben sind unstreitig Kostentreiber für die Verkehrsleistung vor Ort, so dass die bestehenden Verkehrsleistungen in den Kreisen mit Mühe allenfalls gehalten, aber nicht ausgeweitet werden können. Eine wünschenswerte Änderung des sog. Modal Split zugunsten des Öffentlichen Verkehrs hat aber nur eine reelle Chance, wenn sich das Verkehrsangebot spürbar verbessert“, so OVN-Geschäftsführer Dr. Joachim Schack.

 

„Wir begrüßen die jüngste Entscheidung für ein landesweites Semesterticket, mit dem für die Studenten ein deutlich verbessertes Maß an Mobilität einhergehen würde, sofern auch die Studenten im Land diesem Ticket zustimmen. Allerdings wird die erhoffte Akzeptanz maßgeblich davon abhängen, ob es nun zügig gelingt, das ÖPNV-Angebot im Land, gerade auch in den ländlichen Regionen, spürbar attraktiver zu machen. Denn zahlreiche Studenten werden das Semesterticket nicht nutzen (können), solange keine attraktive Busanbindung an die jeweilige Uni bzw. FH oder zu Freizeiteinrichtungen besteht. Deshalb benötigen auch Auszubildende, wie aktuell diskutiert wird, nicht in erster Linie vergünstigte (Job-)Tickets, sondern überhaupt erst einmal akzeptable ÖPNV-Anbindungen zu den Ausbildungsunternehmen, die aktuell häufig nicht erreichbar sind. Gleiches gilt für Touristen, die man nicht damit von einem Umstieg in den ÖPNV überzeugen kann, dass nur morgens und abends ein Bus fährt, am Sonntag vielleicht auch gar nicht. Wir benötigen im Land dringend ein Verkehrskonzept, das so überzeugend und attraktiv ist, dass die Menschen gern vom eigenen Fahrzeug in den ÖPNV umsteigen – und am Ende der Maßnahmenkette ggf. auch mit vergünstigten Tarifen. Nur dann ist die notwendige Verkehrswende auch erreichbar“.