Der Omnibus im ÖPNV, freigestellten Schüler- und Behindertenverkehr
Der öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Hamburg und Schleswig-Holstein wird gemeinsam von den kommunalen (städtischen) Verkehrsunternehmen sowie den privaten, überwiegend familiengeführten, mittelständischen Busunternehmen durchgeführt. Letztere sind im Omnibus Verband Nord organisiert. Der OVN vertritt also sowohl die Interessen derjenigen privaten Busunternehmen, die Linienverkehre auf der Basis eigener Genehmigungen gem. §§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) durchführen (in den Landkreisen Schleswig-Holsteins), als auch die derjenigen Unternehmen, die für andere Linienkonzessionäre (kommunal wie privat) im Auftrag tätig sind.
Darüber hinaus finden sich in der Mitgliedschaft viele Unternehmen, die im Auftrag von Schulträgern den sogenannten freigestellten Schülerverkehr durchführen oder im Auftrag von Sozialträgern im Behindertenverkehr unterwegs sind, also etwa die Beförderung körperlich bzw. geistig eingeschränkter Personen zu den einschlägigen Werkstätten und Schulen übernehmen.
Die Durchführung von Verkehrsleistungen im ÖPNV und Schülerverkehr erfolgt entweder auf Grundlage eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags des kommunalen Aufgabenträgers oder im Rahmen einer eigenwirtschaftlichen Verkehrsleistung nach Genehmigungswettbewerb. (Leider) üblich in Schleswig-Holstein ist inzwischen jenseits der Direkt- bzw. Inhouse-Vergaben an die städtischen Unternehmen in Schleswig-Holstein die wettbewerbliche Vergabe durch Ausschreibung der Verkehrsleistung. In Hamburg erfolgen Direktvergaben an die städtischen Verkehrsunternehmen Hamburger Hochbahn sowie Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein. Für die Busunternehmen des privaten Gewerbes bleibt damit allein die Teilnahme an den wettbewerblichen Ausschreibungen in 9 Landkreisen in Schleswig-Holstein (ausgenommen die Kreise Pinneberg und Plön mit kreiseigenen Verkehrsunternehmen) oder die Annahme eines Nachunternehmerauftrags vom Genehmigungsinhaber, was vereinzelt auch in Hamburg vorkommt.
Das Rückgrat des ÖPNV
Die privaten Busunternehmen bilden vor allem im ländlichen Raum und in den Mittelzentren das Rückgrat des ÖPNV. Sie sind flächendeckend in allen Kreisen in den landesweiten Schleswig-Holstein-Tarif integriert. Leider machen es die mittelstandsfeindlichen Rahmenbedingungen für die traditionsreichen, familiengeführten Busunternehmen immer schwieriger sich noch wirtschaftlich auskömmlich am Markt zu beteiligen. Dies bedeutet am Ende des Tages auch eine zunehmend schwerer zu beantwortende Frage für die nächste Generation, ob man das elterliche Unternehmen noch fortführen möchte oder nicht. Bereits heute ist eine spürbare Konzentration auf eine deutlich reduzierte Anzahl an Busunternehmen in Schleswig-Holstein festzustellen, was zwangsläufig dazu führt, dass in einigen Regionen keine Busunternehmen mehr vorhanden sind, um etwa auch im Katastrophenfall zur Verfügung zu stehen - ein sich konkretisierender, irreversibler volkswirtschaftlicher Schaden!
Der Ordnungsrahmen für den ÖPNV wird vom Personenbeförderungsgesetz (PBefG) vorgegeben, das zuletzt insbesondere zur Aufnahme einer Rechtsgrundlage für den sog. Linienbedarfsverkehr eine Änderung bzw. Modernisierung erfahren hat. Hinter diesem Sammelbegriff verbirgt sich insbesondere der sog. On demand-Verkehr, bislang bekannt als Rufbus oder auch Anrufsammeltaxi (AST). Gerade im ländlichen Raum gelten On demand-Systeme als Antwort auf die immer weniger finanzierbaren, zumal längst nicht ausreichend besetzten Linienbusse. Erste Vorboten gibt es u.a. in der Schlei-Region mit dem Projekt SMILE24, im Raum Rendsburg mit dem NAH.SH-Shuttle Remo oder in Hamburg-Harburg und den Kreisen Segeberg und Stormarn das Projekt hvv-hop (ehemals IOKI).
Wichtig ist und bleibt, dass auch solche modernen Verkehrssysteme in den bestehenden ÖPNV und das geltende Tarifsystem integriert bleiben und von den vorhandenen Verkehrsunternehmen betrieben werden.
Ziele des OVN
Der OVN engagiert sich für den Bestand unternehmerisch eigenverantwortlicher mittelständischer Busunternehmen in deren Vielfältigkeit und tritt für das Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit ein, so wie dies im Personenbeförderungsgesetz ausdrücklich verankert ist. Nur dieses, unserer Wirtschaftsordnung immanente Prinzip garantiert auf Dauer einen attraktiven, fahrgastfreundlichen und bezahlbaren ÖPNV - denn es wäre naiv zu glauben, wettbewerbliche Ausschreibung mache ÖPNV günstiger und besser. Beides hat sich über die Jahre als Trugschluss herausgestellt.
Der OVN wendet sich gegen alle Bestrebungen, den ÖPNV zu einer reinen Planungs- und Verwaltungsaufgabe von Behörden zu machen und die Verkehrsunternehmen auf reine Lohnkutscher zu reduzieren. Daher werden den politischen Vorschlägen, den Verkehrsunternehmen künftig im Staatseigentum befindliche emissionsfreie Fahrzeuge für die Dauer des Verkehrsvertrages zur Verfügung zu stellen, eine klare Absage erteilt.
Der OVN setzt sich dafür ein, dass wertvolles unternehmerisches Know-how mit kundenorientiertem Handeln nicht unwiederbringlich verloren geht, sollten die ÖPNV-Verkehrsleistungen absehbar nur noch von einer Handvoll Unternehmen durchgeführt werden.
Der OVN fordert die staatlichen Institutionen auf sich auf jene Ziele zu konzentrieren, die die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit ÖPNV-Leistungen gewährleisten, so wie es die gegenwärtige Rechtslage vorsieht.
Erst recht angesichts leerer staatlicher Haushalte setzt sich der OVN dafür ein, die gewünschte Kostenreduktion bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung durch konsequente Beauftragung privater Verkehrsunternehmen in die Wege zu leiten, so wie es nicht zuletzt die Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetze der Länder ausdrücklich vorsehen. Hierfür bedarf es keiner gesetzlichen Neuregelung, sondern des klaren politischen Willens und einer sinnvollen Prioritätensetzung.
Der OVN hält es für grundfalsch, angesichts geringer werdender verfügbarer Finanzmittel die Bevölkerung mit tariflichen Wohltaten wie dem Deutschland-Ticket zu beglücken, wenn gleichzeitig das Verkehrs- und Mobilitätsangebot als wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge in großem Stil reduziert wird. Denn ob Menschen vom eigenen Pkw dauerhaft in den ÖPNV umsteigen, richtet sich vor allem nach dem vorhandenen, qualitativ wie quantitativ hochwertigen Angebot. Deshalb: erst das Angebot stabilisieren und idealerweise deutlich ausbauen und erst dann über Ticket- und Tarifgeschenke nachdenken, die stets und immer unter Haushaltsvorbehalt stehen - insbesondere dann, wenn eine Ticketpreiserhöhung auch eine Erhöhung des mit Steuergeldern gegenfinanzierten Preisanteils zur Folge hat.